Im Juli 2024 beschloss der Rat der Stadt Brühl eine Solidaritätspartnerschaft mit der Lesia Duplii, ukrainischen Stadt Marhanez einzugehen. Mit ihren Unterschriften auf der Urkunde besiegelten Brühls Bürgermeister Dieter Freytag und , stellvertretende Bürgermeisterin der Stadt Marhanez am 16. November 2024 die neue Partnerschaft im Kapitelsaal des Brühler Rathauses.
Marhanez ist eine Stadt am Ufer des Dnepr in der Oblast Dnipropetrowsk in der Ukraine und hatte circa 45.000 Einwohner (Stand 2021). Die aktuell geschätzte Zahl beläuft sich seit dem Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine auf nur noch sieben- bis siebzehntausend. Der Name der Stadt bedeutet übersetzt Mangan. Sie wurde 1938 aus dem Zusammenschluss mehrerer Arbeitersiedlungen rund um die Minen gegründet und ist ein bedeutendes Zentrum der Förderung und Bearbeitung von Manganerz. Am gegenüberliegenden Ufer des Dnepr, in circa 10 Kilometer Luftlinie, liegt Europas größtes Kernkraftwerk Saporischschja, welches sich direkt an der Frontlinie des Krieges befindet und faktisch unter russischer Kontrolle steht. Auch zwei Jahre nach Beginn des offenen Angriffskriegs gegen die Ukraine und der fast ebenso lang andauernden Besetzung des Kernkraftwerks Saporischschja durch russische Truppen ist die Lage vor Ort kritisch.
Marhanez hat einen sehr großen Hilfebedarf. Eine der größten Herausforderungen bestand nach Ausbruch des Krieges im Aufbau der Trinkwasserversorgung. Durch die Zerstörung des Kachowka-Staudamms war Marhanez von der bisherigen Wasserversorgung durch den Stausee abgeschnitten. Es erfolgte im Jahr 2023 eine Notversorgung durch Lieferungen aus dem rund 60 Kilometer entfernten Saporischschja und einigen kurzfristig gebohrten Brunnen mit Unterstützung unterschiedlicher Institutionen in NRW.
Mit der Unterzeichnung einer Absichtserklärung am 28. Februar 2023 war Nordrhein-Westfalen das erste Bundesland, das seine solidarische Verbundenheit mit der Ukraine auf die Ebene einer formellen Regionalpartnerschaft mit einer ukrainischen Oblast überführte. Die Landesregierung unterstützt den Wiederaufbau in der ukrainischen nordrhein-westfälischen Partnerregion Dnipropetrowsk – in der auch die Stadt Marhanez liegt – durch Förderung kommunaler und zivilgesellschaftlicher Projekte.
Ebenfalls im Jahr 2023 wurde eine vom Brühler Verein „Wir in Europa“ begleitete Delegationsreise für Jugendliche und Kulturschaffende aus den ukrainischen Gemeinden Sachnowschtschyna und Marhanez nach Brühl organisiert. Diese, sowie die Anschaffung von Industriefiltern zur Trinkbarmachung von Brunnengrundwasser in Marhanez wurden mit Fördermitteln des Landes NRW realisiert. Zudem sammelte der Verein Spenden und finanzierte mit diesen den Ausbau eines Kellers zu einem Schutzbunker für eine Schule. Im Mai dieses Jahres wurde der Aufenthalt einer Tanzgruppe und eines Chors aus Marhanez mit einem Auftritt im Rahmen des Kinderfestes des "Stadtjugendring Brühl e.V." in Brühl realisiert. Durch den Verein "Wir in Europa" konnte ein erstes Kennenlernen der Bürgermeister aus Brühl und Marhanez via Videoaustausch im April stattfinden.
Am vergangenen Samstag empfing Bürgermeister Dieter Freytag die Delegation aus Marhanez im Kapitelsaal des Rathauses, um in Anwesenheit von Mitgliedern aus Rat und Verwaltung die Wichtigkeit der Solidaritätspartnerschaft durch die formelle Unterzeichnung zu unterstreichen. Mit einem "Laskavo prosymo!" (Herzlich willkommen!) begrüßte er alle Anwesenden.
In seiner Rede betonte er besonders das Engagement des Vereins "Wir in Europa", welcher maßgeblich stellvertretend für die Brühler Zivilbevölkerung an der Entstehung der Solidaritätspartnerschaft beteiligt war. Der Begriff Solidaritätspartnerschaft versteht sich als Oberbegriff für die anlässlich des Krieges neu entstehenden kommunalen partnerschaftlichen Beziehungen – unabhängig davon, ob sie formal mit Partnerschaftsurkunde geschlossen werden oder eine nicht-formalisierte Verbindung darstellen.
Dieter Freytag sagte, Worte wie "Solidaritätspartnerschaft" und "zivilgesellschaftliches Engagement" machten ihm Hoffnung, dass dieser Krieg ein Ende finden wird. Er erklärte: "Unsere Partnerschaft soll eine Plattform für bilaterale Kommunikation und Kooperationsprojekte bieten, um humanitäre Hilfe in Marhanez zu leisten, die Stadt auf dem Weg nach Europa zu begleiten und ihre Bevölkerung beim Wiederaufbau zu unterstützen. Die Kooperation soll im Geiste der Völkerverständigung und des Friedens auf der Grundlage von Freiheit, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit entwickelt und vertieft werden. Gemeinsam wollen wir diese europäischen Werte fördern und uns insbesondere für die Achtung der Menschenrechte, für Toleranz und Vielfalt, Solidarität sowie Gleichheit von Frauen und Männern einsetzen."
Auch solle auf der Grundlage des gegenseitigen Respekts die Weiterentwicklung der Beziehungen auf wirtschaftlicher und kultureller Basis sowie die Förderung des gegenseitigen Verständnisses zwischen den Bürgerinnen und Bürgern beider Städte angestrebt werden.
Marhanezs stellvertretende Bürgermeisterin Lesia Duplii antwortete in ihrer Ansprache mit einem Dank für die schon erfahrene Unterstützung von Brühlerinnen und Brühlern. Sie bezeichnete Marhanez als "eine Stadt mit unzerbrechlichen Menschen, die genau wie der Rest der Ukraine mit dem Krieg konfrontiert wurden." Sie sagte: "Dies ist ein bedeutendes und historisches Ereignis für unsere Gemeinschaft, die jede Minute den schrecklichen Atem des Krieges spürt."
Im Anschluss präsentierte Lesia Duplii einen Film, der das Leben vor und nach dem russischen Angriff in Marhanez zeigte. Die Bilder waren erschreckend selbsterklärend und lösten bei den Anwesenden große Betroffenheit aus.
Nach der Unterzeichnung der Urkunde zur Solidaritätspartnerschaft, betonte Dieter Freytag in dem blau-gelb dekorierten Kapitelsaal die auffällige Ähnlichkeit der Brühler mit der Ukrainischen Flagge und leitete anschließend zum Empfang über, welcher durch Informationen und Erfahrungen von Tamara Vukovic, Projektleiterin für Partnerschaften mit Kommunen in der Ukraine bei "Engagement Global", bereichert wurde.
Die Delegation aus Marhanez nahm im Rahmen der fünftägigen Reise an einem Kulturprogramm zum Kennenlernen der Stadt Brühl teil und erhielt einen Einblick in die Verwaltungsarbeit in den Abteilungen Tourismus und Partnerschaften, Wirtschaftsförderung und Integration. Auch die Ukraine-Konferenz der Landesregierung Nordrhein-Westfalen am Montag, 18. November stand mit auf dem Programm.