Das Duell der Freiherren
Roll und Beverförde im Jahr 1733
Johann Baptist von Roll zu Bernau
gegen Friedrich Christian von Beverförde zu Werries
Am 5. Mai 1733 duellierten sich in einem Obstgarten an der "Camesgasse" (Comesstraße) Johann von Roll und Friedrich von Beverförde. Roll unterlag und verstarb noch am Ort des Geschehens. Sein Tod hatte erhebliche Auswirkungen auf den Kurfürsten Clemens August und führte zu einem vollständigen Wechsel im kurkölnischen Regierungssystem.
Die Vorgeschichte
Clemens August I. war von 1723 bis 1761 Erzbischof von Köln und damit gleichzeitig Kurfürst des Heiligen Römischen Reiches. Er wurde im Jahre 1732 zum Hochmeister des Deutschen Ordens gewählt. Der höchste Verwaltungsbeamte und Komtur des Ordens war zu dieser Zeit Johann Baptist von Roll. Von untersetzter Statur galt er als bedächtiger, etwas schwerfälliger Mann, frei von Geldgier und politischem Ehrgeiz. Clemens August fand in dem 17 Jahre älteren Roll einen väterlichen Freund, dessen Führung er sich rückhaltlos anvertraute. Bereits nach kurzer Zeit holte er ihn an seine Residenz in Bonn und verlieh ihm die neu geschaffene Würde eines Deutschordensministers.
Als Neuankömmling hatte Roll es schwer sich am Hof zu behaupten. Er hatte große Mühe seinem neuen Amt die gebührende Stellung in der höfischen Hierarchie zu verschaffen. Immer wieder sah er sich Intrigen und Demütigungen ausgesetzt, da ihm die Gunst des Kursfürsten missgönnt wurde.
Am Vortag des Duells
Clemens August fuhr mit kleinem Gefolge zur Jagd nach Brühl. Roll war als Obriststallmeister einer der höchsten Hofbeamten und bekam wider Erwarten keinen Platz in der Kutsche des Kurfürsten zugewiesen, sondern musste in einer späteren Kutsche mitfahren – ein Affront. Er machte dafür dem Vizeobriststallmeister Friedrich von Beverförde, der ebenfalls an der Jagd teilnahm, schwere Vorwürfe. In Brühl angekommen sah er sich einer weiteren Beleidigung ausgesetzt. Ein Pferdeknecht des Hofs hatte in den Roll'schen Stall einen abgetriebenen, mageren Gaul, als „"Geschenk für den Herrn Komtur" abgestellt. Dies empfand Roll nun als offene Verhöhnung!
Er stellte Beverförde zur Rede, den er hinter der Beleidigung vermutete. Dieser wiederum erklärte, dass er mit dieser Sache nicht das Geringste zu tun habe. Es folgte ein heftiges Wortgefecht. Roll schrie Beverförde als "Bärenhäuter" an, während der ihn als "Hundsfott" beschimpfte. Solche massiven Kränkungen unter Kavalieren mussten unvermeidlich zu einem Ehrenhandel – einem Duell – führen.
Als Clemens August von dem Streit berichtet wurde, befahl er den beiden Kontrahenten unter Androhung seiner höchsten Ungnade, dass sie sich versöhnen sollen und unter keinen Umständen wegen dieser "Kinderei" zur Waffe greifen dürfen.
Das Duell
Am 5. Mai 1733 ritt Kurfürst Clemens August mit seinem Gefolge von Falkenlust aus zur Jagd. Zum Ende hin, als bereits einige Jagdteilnehmer zurückgekehrt waren, ließ Roll verlautbaren, er werde zusammen mit einem Jagdjunker, der ihm seinen Degen geliehen habe, vors Kölntor (Ecke Kölnstraße/Schildgesstraße) "spazieren" reiten; wer ihn suche, könne ihn dort finden. Als Beverförde davon hörte begab er sich kurz darauf ebenfalls dorthin. Roll war indes über die Kölnstraße ein Stück in die "Camesgasse" (Comesstraße) hineinspaziert.
Clemens August, zwischenzeitlich in Falkenlust angekommen, bemerkte sofort das Fehlen der Jagdteilnehmer und ahnte Schlimmes. Er befahl dem Domherrn von Metternich ihnen nachzureiten, um mit allen Mitteln einen Zweikampf zu verhindern. Als Metternich auf Beverförde traf, versicherte dieser, dass er bereit sei, die Angelegenheit auf sich beruhen zu lassen. Ihm liege nichts an einer gewaltsamen Auseinandersetzung.
Währenddessen versuchte ein anderer Jagdteilnehmer bei Roll zu vermitteln. Dieser zeigte hingegen kein Interesse an einer Versöhnung: "Wenn Beverförde den Bärenhäuter auf sich sitzen lassen wolle, solle es ihm recht sein" und ergänzte "Ich habe ihn zuerst offendiert; er findet mich hier; ich suche ihn nicht; ich gehe hier spazieren".
In einer letzten Aussprache wurde versucht, das drohende Unheil zu verhindern. Beverförde erklärte in Gegenwart Rolls vergeblich, dass die Sache mit dem Gaul auf einem von ihm nicht verschuldeten Missverständnis beruhe - was sich später als richtig herausstellen sollte. Dennoch eskalierte die Situation. Roll sprang über einen Graben in den benachbarten Obstgarten (der sich in Blickrichtung der Tafel befand) und rief Beverförde zu: "Ich gehe voraus, attackiere er mich!"
Nun überstürzten sich die Ereignisse. Anscheinend drang Roll zunächst auf Beverförde ein. Dieser wich einige Schritte zurück und ging zum Gegenstoß über. Er traf Roll, der augenblicklich zusammenbrach: Beverfördes Degen hatte ihn unter der zweiten Rippe ins Herz getroffen. Roll erlag noch am Ort des Geschehens seinen Verletzungen.
Die Folgen
Clemens August war von dem Tode Rolls zutiefst erschüttert. Ihn quälte die Frage, ob er den tragischen Ausgang einer an sich belanglosen Streiterei nicht doch hätte verhindern können. Er verlor sich in der Vorstellung, dass der Verlust seines Freundes das Werk einer heimtückischen Intrige war, die ihn des Menschen berauben wollte, dem er am meisten vertraute.
Vom Kammerpräsidenten bis zum Pferdeknecht ließ Clemens August alle, die irgendetwas aussagen konnten, gerichtlich vernehmen. Die Abschriften der Vernehmungsprotokolle schickte er an den Münchner Hof, an den Nuntius in Köln und an sämtliche Landkomture des Deutschen Ordens mit der Bitte um Stellungnahme. Diese fielen keineswegs so aus, wie Clemens August erwartet hatte. Selbst sein Bruder, den Clemens August später zu Kaiser Karl VII. krönen sollte, trat für Beverförde ein, da er ein "ehrlicher gerader Mann" sei und Roll "zu diesem unglücklichen Ausgang selbst die meiste Ursache gegeben" habe. Keiner der Befragten sprach Beverförde die Schuld zu. Er habe immer den Willen zur Versöhnung gezeigt und war von Roll gewissermaßen zum Zweikampf gezwungen worden.
Nur in einem anonymen Gutachten eines kurkölnischen Juristen wird der Vorfall als Mord bezeichnet.
Clemens August glaubte offenkundig nicht an den Tod im Duell und trug dies auch nach außen. Sechs Wochen nach dem Ereignis wurden nachträglich noch drei Zeugen vernommen, die den Zweikampf gesehen haben wollten - ein Ackerknecht, ein Maurer und eine Dienstmagd. Beverförde wurde von Ihnen beschuldigt Roll erstochen zu haben, als dieser bereits seinen Degen eingesteckt hatte.
Clemens August machte daraufhin seinen Premierminister Plettenberg, der ein Verwandter und Förderer Beverfördes war, für den Tod Rolls mitverantwortlich. Er enthob ihn seiner Ämter und ließ alle, die mit ihm in Zusammenhang standen, unnachgiebig verfolgen. Es wird davon ausgegangen, dass Plettenberg Opfer einer Hofintrige wurde, um den einflussreichen Politiker zu stürzen.
Die bis dahin erfolgreiche kurkölnische Politik, für die Plettenberg knapp 10 Jahre verantwortlich war, verlor an Kontinuität. Clemens August wollte fortan nicht mehr nur einer Person vertrauen. An die Stelle des fähigen Ministers Plettenberg traten verschiedene Personen und Institutionen, was häufige Kurswechsel, insbesondere in der Außenpolitik, zur Folge hatte.
Auch für Brühl hatte dieses Ereignis vor allem erhebliche wirtschaftliche Konsequenzen. Aus alten Steuerakten geht hervor, dass das Wirtschaftsleben vor Ort für viele Jahre stagnierte, da Clemens August seine Hofhaltung für mehrere Sommer nicht mehr nach Brühl verlegte.
Das Gedenken
Clemens August ließ Roll in der Pfarrkirche St. Margareta bestatten. Nach zeitgenössischen Aussagen war es "wohl die prunkvollste Beerdigung, die Brühl je gesehen hat". Der Kurfürst stiftete seinem Freund ein prächtiges Epitaph, eine silberne Lampe in Form eines flammenden Herzens unter einer Dornenkrone und ließ an der Stelle, wo das Duell stattgefunden hatte, eine Statue des heiligen Nepomuk aufstellen. Darüber hinaus stiftete er 1000 Reichstaler für zwei in der Pfarrkirche wöchentlich abzuhaltende Seelenmessen.
Clemens August sorgte sich sehr um das Seelenheil seines Freundes, da er in einem Zweikampf gefallen war. In seiner Not wandte er sich an Maria Crescentia Höß in Kaufbeuren, die er in Glaubensfragen bereits ein Jahr zuvor besucht hatte. Die als Seherin bekannte Klosterschwester wurde geschätzt für ihr kritisches Urteilsvermögen und ihre außerordentliche Fähigkeit, sich in ihre Gesprächspartner einzufühlen. Der Kurfürst war von Ihre Persönlichkeit stark beeindruckt. In vielen Briefen an sie, deren Antwortschreiben heute noch erhalten sind, suchte Clemens August Trost für sein tief empfundenes Leid. Er wollte zudem durch sie Näheres über das Schicksal seines besten Freundes im Jenseits erfahren.
Der Tod Rolls, den er Zeit seines Lebens betrauerte, stellt eine Zäsur im Leben Clemens Augusts dar. Besonders an den Todestagen überkam ihn immer wieder Ruhelosigkeit und Melancholie.
- Johann Baptist von Roll zu Bernau
UNESCO-Welterbestätte Schlösser Augustusburg und Falkenlust. Foto: Horst Gummersbach
- Christian zu Beverförde von Werries
gemeinfrei - https://de.wikipedia.org/wiki/Friedrich_Christian_von_Beverf%C3%B6rde_zu_Werries#/media/Datei:Der_Tolle_Werries.jpg
- Zeichnung von Johann Baptist von Roll im Sarg
Bayerisches Hauptstaatsarchiv, Fürstensachen 725.
- Clemens August stiftete zum Tode seines Freundes Roll dieses Epitaph in der Pfarrkirche St. Margareta.
Stadtarchiv Brühl/ Gröner
- Leuchter in Form eines flammenden Herzens in der Kirche St. Maria von den Engeln
Stadtarchiv Brühl/Neff
- Statue des Heiligen Johannes Nepomuk vor der Kirche St. Maria von den Engeln
Stadtarchiv Brühl/Gröner
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- Wündisch, Fritz: Der Tod des Komturs J. B. v. Roll. In: Brühler Heimatblätter Oktober 1959.
- Wündisch, Fritz: Was alte Steuerakten erzählen können. (Fortsetzung). In: Brühler Heimatblätter April 1964.
- Zilliken, Peter: Aus dem religiösen Leben des Kurfürsten Clemens August. In: Brühler Heimatblätter April 1953.
- Zilliken, Peter: 650 Jahre Pfarre St. Margareta in Brühl. Die Pfarrkirche. In: Brühler Heimatblättern Oktober 1953.
- Der Tod des Freiherrn von Roll in der Comesstraße zu Brühl am 5. Mai 1733. In: Brühler Heimatblätter Februar 1924. [Ohne Autor]
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